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Neues Wohnquartier mit historischer Erinnerung – Stele erinnert an bewegte Geschichte am Gescherweg 87

Auf dem rund 8.000 m² großen Grundstück des ehemaligen Militärlagers am Gescherweg 87 hat die Wohn + Stadtbau ein durchmischtes und belebtes Quartier realisiert. Der Standort bietet qualitätvollen Wohnraum für Familien, Studierende und Senioren. Großzügige Freiflächen und eine offene Quartiersgestaltung fördern Begegnung und Gemeinschaft.

Insgesamt wurden 61 Mietwohnungen errichtet – davon 39 öffentlich gefördert und 22 frei finanziert. Die fünf Wohngebäude umfassen Wohnungen mit Größen zwischen 47 und 112 Quadratmetern und höchsten energetischen Standards durch Einsatz erneuerbarer Energie. Ergänzend entstanden in einem ersten Bauabschnitt Räumlichkeiten für bestehende soziale Einrichtungen: ein Jugendtreff, das Mehrgenerationenhaus „MuM e.V.“ sowie ein Ambulanter Dienst fanden hier ihre neue Heimat. Eine Optionsfläche für eine dreigruppige Kindertageseinrichtung wurde ebenfalls vorgesehen.

Stele erinnert an bewegte Geschichte

Gleichzeitig bleibt die Geschichte des Ortes sichtbar. Eine neu errichtete Stele erinnert an die vielschichtige Vergangenheit des Areals. Sie wurde in Zusammenarbeit mit den Historikern Thomas Köhler vom Geschichtsort Villa ten Hompel und Dr. Philip Erdmann vom Stadtarchiv Münster erarbeitet. Ziel ist es, die Erinnerung an die Menschen und Ereignisse an diesem Ort wachzuhalten.

Zur Einweihung der Stele trafen sich Stefan Wismann, Geschäftsführer der Wohn + Stadtbau, mit den Historikern vor Ort. Gemeinsam würdigten sie die Bedeutung des historischen Erinnerungsortes im neuen Quartier.

Wir schaffen hier nicht nur neuen Wohnraum, sondern auch Bewusstsein für die Geschichte des Ortes“, sagt Stefan Wismann, Geschäftsführer der Wohn + Stadtbau. „Die Stele ist ein wichtiger Teil dieses Ortes. Sie erinnert an das, was war, und soll zum Nachdenken anregen.“

Die Geschichte des Geländes reicht über ein Jahrhundert zurück. 1907 errichtete die Reichswehr ein militärisches Übungsgelände rund um das damalige „Haus Spital“. Ab 1914 entstand dort ein Lager für bis zu 10.000 Kriegsgefangene. Überbelegung und Krankheiten führten zu mehr als 1.000 Todesfällen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gelände landwirtschaftlich genutzt. In der Zeit des Nationalsozialismus erfolgte ab 1933 erneut eine militärische Nutzung durch die Reichswehr (Wehrmacht). Mitte der 1930er Jahre zog der Reichsarbeitsdienst ein und nutzte die Baracken zur militärisch-ideologischen Schulung deutscher Jugendlicher.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs suchten ausgebombte und geflüchtete Menschen dort Zuflucht. Zwischen 1949 und 1974 diente das Areal der Stadt Münster als Standort für Sozialwohnungen. In der ehemaligen Wehrmachtskantine waren zeitweise eine Grundschule, ein Kindergarten und ein Seniorenheim untergebracht.

Das Barackenlager, im Volksmund „Toppheide“ genannt, galt über Jahrzehnte als ein sozialer Brennpunkt. Viele Bewohnerinnen und Bewohner lebten in prekären Verhältnissen – ohne Küche, Bad oder Heizung. Einige von ihnen waren Verfolgte des NS-Regimes, die auch nach 1945 weiterhin gesellschaftlicher Ausgrenzung ausgesetzt waren. Erst Anfang der 1970er Jahre konnten die letzten Familien in Neubauten umziehen. Die Baracken wurden anschließend abgerissen.

Dieser Ort steht exemplarisch für viele Brüche und Verwerfungen des 20. Jahrhunderts“, sagt Thomas Köhler. „Mit der Stele wollen wir die Lebensgeschichten der Menschen sichtbar machen, die lange übersehen wurden – und zugleich einen Beitrag zur historischen Bildung vor Ort leisten.“

Mit der Stele bleibt die Geschichte dieses Ortes im öffentlichen Raum präsent. Sie erinnert an die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Umbrüche des 20. Jahrhunderts – und an die Menschen, die diesen Ort geprägt haben.